Architekturreise nach Lyon
Unsere Architekturreise von a-tour travel mit dem Büro Hähnig + Gemmeke führte mich in diesem Frühling nach Lyon.

Claudia, eine ortsansässige Architektin, führt uns am ersten Tag auf die Presqu‘île direkt in das Herz Lyons, auf den Place Bellecour. Gut sichtbar blicken wir den Berg Fourvière hinauf, in Richtung der zwei Wahrzeichen der Stadt. Die in hellem Weiß erstrahlende Basilika Basilique Notre Dame de Fourvière, im Volksmund auch als „umgedrehter Elefant“ bezeichnet und gleich rechts daneben der Tour Métallique de Fourvière. Wie ein „kleiner Eiffelturm“ ragt er empor und wurde tatsächlich von 1892 bis 1894 nach Plänen von Gustave Eiffel in Lyon errichtet.
Weiter geht es auf den Place des Célestines, den Platz vor dem Theater. Hier erwartet uns eine Überraschung: Eine Installation des Künstlers Daniel Buren gibt uns Rätsel auf. Claudia klärt auf, indem sie uns in das Parkhaus unter dem Platz führt – und damit auf anschauliche Weise ein generelles Konzept Lyons erläutert, nämlich die Verlegung der Parkplätze in Lyon in unterirdische Parkhäuser, um Raum für Grünanlagen und Plätze zu schaffen.

Am Place de la Comédie befindet sich die von Jean Nouvel umgebaute Opera National de Lyon. Die Oper wurde in den 90er Jahren von Nouvel komplett renoviert beziehungsweise entkernt und neu gestaltet – von außen deutlich sichtbar durch das halbrunde Dach, das im Dunkeln rot beleuchtet ist. Besonders fasziniert uns der Eingangsbereich der Oper. Hier haben sich laut Claudia schon viele Tanzkompanien gegründet und auch wir werden Zeuge einer Darbietung junger Künstler.
Am Abend erwartet uns ein „Geheimtipp“-Restaurant. Es ist tatsächlich so geheim, dass ich etwas suchen muss, bis wir es finden. Das Suchen hat sich gelohnt: Es erwartet uns ein liebevoll angerichtetes, leckeres Menü. Es gibt grünen Spargel, wunderbar zartes Kalbfleisch mit Kartoffelgratin und als Nachtisch einen erfrischenden Fruchtsalat. Dazu passende Weine aus der Region, willkommen in Frankreich!
Auch unser Hotel Mama Shelter hält, was es verspricht. Das von Philippe Starck gestaltete Designhotel bietet Klarheit und iMac-Minimalismus in den Zimmern, gute Matratzen und ein reichhaltiges Frühstück. Dazu am Abend eine belebte Bar mit DJ. Die Zimmer sind trotzdem ruhig.
Der zweite Tag steht ganz im Zeichen von Le Corbusier

Nirgends in Europa gibt es mehr Bauten von Le Corbusier als in Firminy, etwa 1,5 Stunden Fahrt von Lyon entfernt. Geplant wurden ein Kulturzentrum, die Kirche St. Etienne, Schwimmbad und Stadion sowie drei Wohnmaschinen. Wir besichtigen zuerst die Wohnmaschine und machen uns geteilt in zwei Gruppen auf den Weg. Die Idee einer gesamten Stadt im Haus, stellte Corbusier bereits 1925 vor. Gebaut wurde in Firminy nur eine von drei geplanten Unités d’Habitation mit ursprünglich 414 Wohneinheiten. Drei weitere gibt es in Frankreich und eine in Berlin.
Die „vertikale Stadt“ wie Corbusier sie nannte, ist ein Stahlbeton- Skelettbau mit 18 Geschossen. Über sogenannte Straßen werden die einzelnen Stockwerke erschlossen. Corbusiers Idee war es, den Raum von den Bewohnern lebhaft nutzen zu lassen. Wir besichtigen eine Wohnung und ich ziehe in Gedanken schon einmal probehalber ein.

Bei unserem Rundgang gehen wir zusammen mit Anne nun auf das Dach. Die Vorschule überrascht mit Licht und Leichtigkeit. Es sieht aus, als wäre gerade nur Pause, und die Kleinen würden gleich wiederkommen und ihren Tag hier fortsetzen. Der Blick von hier oben reicht über die grünen Hügel der Außenbereiche der Stadt. Eine Ode an Licht und Leichtigkeit.

Zum Abschluss besuchen wir auf der gegenüberliegenden Seite die Kirche St. Etienne. Die Betonwände werden unterbrochen von verschiedenfarbigen Lichtschlitzen, Lichtstreifen zeichnen feine Muster an die nackten Betonwände. Der Raum besticht durch seine Klarheit und das Spiel von Licht und Schatten. Nur die Akustik, so Anne, ist nicht ideal. Das können wir nachvollziehen, denn schon aus wenigen Metern Entfernung ist unser Guide kaum mehr zu verstehen. Man habe daher die Gottesdienste angepasst und sich mehr auf Musik, weniger auf Worte konzentriert. Verständlich. Nachdem eine der Teilnehmerinnen dann ein Lied anstimmt, läuft mir eine Gänsehaut über den Rücken.

Wir versüßen uns die ca. 1,5 stündige Fahrt nach La Tourette mit einem Picknick im Bus und genießen auf den letzten Kilometern den Blick auf das ländliche Frankreich.
An einem Hang gelegen ist das Kloster La Tourette ein interessantes Beispiel für die Kombination von damals moderner Architektur und dem Leben im Kloster. Das aus Sichtbeton errichtete Klostergebäude bildet ein Viereck, das im Norden durch eine schlichte Kirche abgeschlossen wird. Die schmalen Zellen, die Wohnräume der Mönche, gehen auf die angrenzenden Wiesen und Wälder hinaus.
Auf dem Rückweg lassen wir es uns nicht nehmen, noch einen Halt am Flughafen und dem angrenzenden TGV-Bahnhof St. Exupery einzulegen. Hier steht der organisch skulpturale „Riesenvogel“ des spanisch-schweizerischen Architekten Santiago Calatrava. Unter seinen Flügeln beherbergt er den TGV-Bahnhof und den Übergang zum Lyoner Flughafen. Poesie unserer Zeit. Am Abend laufen wir zum Bistro Gerland und genießen eine Auswahl von herrlichen typisch lyonesischen Tapas mit sehr charmanter Bedienung und gutem Wein.
Das Künstlerviertel und die “kleine Hafencity”

La Croix-Rousse nennt sich einer der Hügel und das gleichnamige Stadtquartier. Wieder vorbei an der Oper steigen wir nach dem üppigen Frühstück und einer kurzen Fahrt mit der Metro die ersten Treppen hinauf. Es führt auch eine Zahnradbahn den Hügel hinauf, wir aber sind bereit für den großen Spaziergang und lassen uns auch durch einsetzenden Nieselregen nicht abhalten. Oben auf dem Plateau ist es fast wie in einem Dorf, etwas abseits der Großstadt und doch mittendrin. Zentrum des Lebens ist der Markt auf dem Place de la Croix-Rousse, den wir natürlich besuchen.

Zum Abschluss besuchen wir die „Hafencity“ Lyons, Confluence. Wo noch bis 2003 Fabriken, Lagerhallen und Gleisanlagen brachlagen entsteht ein neues Wohn- und Büroviertel mit hohem Anspruch an nachhaltiger und sozialer Stadtplanung. Die Stadtplanung verantwortete das Atelier Ruelle, die zweite Phase wurde von Herzog & de Meuron und dem Landschaftsarchitekt Michel Devigne geplant.

Besonders angetan hat es uns das Teilfeld A3, zwischen der Rue Casimir-Pèrier und dem neuen Regierungssitz gelegen. Hier ist, ebenfalls nach dem Masterplan von Herzog & de Meuron, ein Komplex aus acht Gebäuden unterschiedlicher Nutzung entstanden. Dem Mix aus Wohnen und Arbeiten haben sich gleich sechs verschiedene Designer und Architekten angenommen. Besonders spannend das Bürogebäude von Christian Kerez ein Betonbau mit sich nach oben verjüngenden Pfeilern. Nach einer kurzen Kaffee- und Einkaufspause geht es in den südlichen Teil.

Wir schlendern entlang der beiden Büro-Würfel von Jakob + MacFarlane in Quietschorange und Knallgrün mit ihren Fassaden aus fein gelaserten Stahlblechen. Dazwischen ein alter, renovierter Zweckbau, in dem gerade eine Tattoo-Messe stattfindet: La Sucriére, ein Zuckerspeicher mit zwei riesigen Silos. Der Zuckerspeicher wurde in den 1930er-Jahren erbaut und 2003 zum Biennale d’Art Contemporain umgestaltet. Die Biennale für zeitgenössische Kunst in Lyon hat sich seitdem zu einer der wichtigsten in Europa entwickelt.
Und dann kommen wir zum Endpunkt des neuen Viertels, “Confluence“, direkt am Zusammenfluss von Rhône und Saône. Die Wiener Architekten Coop Himmelb(l)au entwarfen das Musée des Confluences. Nicht weniger als die Entstehung des Universums und des Lebens auf unserem Planeten, die Geschichte der Menschheit und ihrer Gesellschaften sowie die Frage eines Lebens nach dem Tod werden in den Dauerausstellungen behandelt. Mit einer Besichtigung des Museums endet dieser spannende Architektur-Tag und damit auch die Reise. Zumindest in dieser Konstellation. a-tour verabschiedet sich an dieser Stelle, das Büro Hähnig + Gemmeke tritt die Heimreise mit dem Bus an.

Gute Fahrt und bis zum nächsten Mal!
Den kompletten Reisebericht zum Download finden Sie hier
Herzlichst,
Antje Seele